Warum gab es ein Königreich Westphalen?

    Ein neues Königreich

    Napoleon schuf auf deutschem Gebiet drei neue Staaten: die Großherzogtümer Frankfurt und Berg sowie das Königreich Westphalen. Es existierte vom Frieden von Tilsit 1807 bis zur von Napoleon verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig 1813.

    Nach der Niederlage im Vierten Koalitionskrieg musste Preußen im Frieden von Tilsit große Gebiete westlich der Elbe an Frankreich abtreten. Dazu gehörten die Landgrafschaft Hessen-Kassel, das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, Teile des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg, das Fürstentum Minden, die Fürstbistümer Paderborn und Osnabrück. Diese Gebiete wurden nun zum neuen Königreich Westphalen gemacht. Hauptstadt wurde Kassel.

    Ein neuer König

    Als König setzte Napoleon seinen jüngsten Bruder Jérome ein. Der war erst 23 Jahre alt. Er wurde mit Katharina von Württemberg verheiratet, um den Bund Württembergs mit Napoleon zu stärken. König Jérome regierte vom Stadtschloss Kassel aus. 1811 brannte es ab, nachdem die Öfen durch eine Heizung mit kupfernen Rohren ersetzt worden waren, die die Holzdielen in Brand setzten. Jérome zog um ins Schloss Bellevue.

    Jérome liebte das Vergnügen mehr als das Regieren. Von den Bürgern in Kassel wurde er gerne "König Lustig" genannt, denn auf Deutsch soll er kaum mehr als "Morgen wieder lustig" hatte sagen können.

    Ein moderner Musterstaat

    Wie die Großherzogtümer Berg und Frankfurt sollte auch das Königreich Westphalen ein Musterstaat werden. Die Verwaltung und die Gerichtsbarkeit sollten hier besonders mustergültig modernisiert werden. So geschah es auch. Als erster deutscher Staat erhielt Westphalen noch 1807 eine Verfassung.

    So besaßen die adligen Grundherren bis dahin oft eigene Gerichte, die damit neben den staatlichen Gerichten existierten. Diese "Patrimonialgerichte" wurden nun abgeschafft, genauso wie die Leibeigenschaft.

    Das metrische System wurde eingeführt, es gab also neue Maße, mit denen einfacher zu rechnen war: Zentimeter, Gramm und Sekunde (vorher maß man z. B. in Fuß, Scheffel oder Pfund). Das Steuersystem wurde vereinheitlicht (vorher gab es in den Landesteilen ganz unterschiedliche Steuern). Auch der Adel musste nun eine Grundsteuer zahlen.

    Eingeführt wurde die Gewerbefreiheit: Jeder konnte frei ein Unternehmen eröffnen, der Zunftzwang wurde abgeschafft. Parallel zu den Kirchenbüchern führte auch der Staat Buch über Geburten und Sterbefälle im Land. Außerdem wurde als Bürgerliches Gesetzbuch Napoleons Code Civil eingeführt.

    Gegenwind

    In der Bevölkerung war man von dem neuen Machthaber nicht überall begeistert. So wurde nach französischem Vorbild auch die Wehrpflicht eingeführt. Westphalen verpflichtete sich als Rheinbundstaat für Napoleon in den Krieg zu ziehen und dafür 25.000 Soldaten zu stellen. Das gefiel vielen nicht. Tatsächlich kehrte aus Spanien und Russland auch nur jeweils ein Bruchteil der westphälischen Soldaten zurück.

    Es kam zu mehren Aufständen. So versuchte Wilhelm von Dörnberg 1809 mit preußischer Unterstützung, die Franzosen zu vertreiben. Doch diese Erhebung wurde von den westphälischen Soldaten ebenso schnell beendet wie die unter Friedrich Wilhelm von Braunschweig. Der versuchte im gleichen Jahr sein ehemaliges Herzogtum zurückzuerobern, was ihm jedoch misslang.

    Das Ende des Königreichs

    Dennoch hatte das Königreich Westphalen nicht lange Bestand. Als Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 geschlagen worden war, löste sich der Rheinbund auf und die Franzosen mussten abziehen. Die alten Grenzen der Fürstentümer wurden wiederhergestellt.